Wissenschaftlicher Hintergrund der repetitiven Transkraniellen Magnetstimulation (rTMS)
Versuche, elektrischen Strom und Magnetfelder therapeutisch zu nutzen reichen bis in die Antike zurück. Erst in den letzten 30 Jahren machten jedoch universitäre Forschung und technische Fortschritte die Entwicklung der repetitiven Transkraniellen Magnetstimulation (rTMS) als einfach anzuwendende Therapie-Methode möglich.
Barker hat im Jahr 1985 als erster mit Hilfe einer magnetischen Stimulation des motorischen Kortex des Menschen eine Bewegung des Daumens der Gegenseite auslösen können: transkranielle Magnetstimulation (TMS). Mit der Entwicklung von Geräten, die repetitive Impulse auszulösen vermögen, konnte Pascual-Leone 1996 den ersten Beweis erbringen, dass eine repetitive Stimulation des linken Stirnlappens eine antidepressive Wirkung hat.
Physikalische Grundlagen
Die physikalische Grundlage, um die Funktionsweise der transkraniellen Magnetstimulation zu verstehen, ist das Gesetz der elektromagnetischen Induktion (auch Faradaysche Induktion genannt). Dieses besagt, dass in einem Leiter ein elektrischer Strom induziert wird, wenn sich der magnetische Fluss ändert. Dieser wiederum ändert sich dann, wenn sich der elektrische Strom in der das Magnetfeld generierenden Magnetspule ändert.
Technisch umgesetzt wird dies dadurch, dass mit Hilfe eines sogenannten Thyistorschalters der Strom in einer Magnetspule schnell an- und abgeschaltet wird. Dieser sich in der Zeit ändernde elektrische Strom induziert ein sich ebenfalls ändernder Magnetfluss und dieser dann wiederum einen elektrischen Strom im “Leiter” Gehirn:
Um eine magnetische Flussänderung zu induzieren, die durch Haut und Knochen bis zur Hirnrinde reicht, werden Spannungen bis 2’000 V und Stromstärken bis 10’000 A benötigt. Entsprechend stellen die Geräte hohe Anforderung an die Sicherheit.
Die in der Darstellung runde Spule wird zu diagnostischen Zwecken (Motorisch Evozierte Potentiale in der Neurologie), nicht aber für therapeutische Zwecke verwendet, weil das generierte Magnetfeld zu wenig fokussiert, zu wenig gebündelt ist. Mit “figure-eight”-Spulen (Form einer ’8’) lässt sich ein kleines Areal von maximal wenigen Quadratzentimetern stimulieren. Obwohl das Magnetfeld an der Oberfläche der Spule mit ca. 2 Tesla 30’000 mal stärker ist als das Magnetfeld der Erde, hat es eine nur geringe Reichweite und man erreicht durch Haut und Schädel nur Strukturen, die maximal 2 bis 3 cm tief liegen.
Effekt bei Depressionen
Bei Patienten mit Depressionen finden sich in verschiedenen Hirnregionen Unter- aber auch Überaktivierungen.
Der linke Präfrontalkortex (PFC) - wichtig für positive Ziele, aufsuchendes Verhalten, positive Ziele - ist bei Depressionen unteraktiviert. Umgekehrt findet sich häufig eine Überaktivierung des rechten Präfrontalkortex, begleitet von Angst und Vermeidung.
Eine andere wichtige kortikale Region ist der anteriore zinguläre Kortex (ACC). Er wird mit zahlreichen Funktionen in Verbindung gebracht: Bewertung und Beurteilung von Handlungen und inneren Zuständen, Steuerung autonomer Funktionen, Regulation der Aufmerksamkeit und Bearbeitung motivational uneindeutiger bzw. konflikthafter Anforderungen.
Bei Depressionen ist der ACC typischerweise unteraktiviert. Die Hypoaktivität im dorsalen ACC führt zu Beeinträchtigungen der Aufmerksamkeit und der Exekutivfunktionen. Die Hypoaktivität im ventralen ACC führt zur Beeinträchtigung des emotionalen Erlebens, des Antriebs, der Entscheidungssicherheit.
Bei Depressionen konnte zudem eine Volumenminderung des Hippokampus nachgewiesen werden, wahrscheinlich als Folge eines erhöhten Kortison-Spiegels bei lang anhaltender Stressreaktion. Daraus ergeben sich Fehlfunktionen des Gedächtnisses aber auch der Steuerung kontextgerechter Emotionen.
Die Amygdala ist bei Depressionen überaktiviert. Zuständig dafür, bedrohliche Reize zu detektieren, führt dies zu einer Hypersensivität für Negativität und damit auch negativen Affekten bis zu Fluchtreaktion.
Depressionen können neurobiologisch somit als Fehlregulation kortikaler und subkortikaler Strukturen aufgefasst werden: Unteraktivierung des linken dorsalteralen Präfrontalkortex und des ACC auf der einen Seite und Überaktivierung limbischer Strukturen, insbesondere der Amygdala auf der anderen Seite. All diese Strukturen sind ihrerseits in Regelkreise eingebunden, so dass letztendlich die Symptomatik das ganze Spektrum menschlichen Erlebens betrifft: Antriebsminderung, Konzentrations- und Gedächtnisstörung, Grübeln, Kreisen negativer Gedanken, Angst, Störungen von Schlaf, Appetit und Libido.
Die rTMS erlaubt über eine Stimulierung des linken dorsalteralen Präfrontalkortex eine direkte Einflussnahme auf das Ungleichgewicht von Über- und Unteraktivierung.
Durch die Stimulierung des Stirnhirns der linken Seite profitieren die dort lokalisierten Funktionen des Denkens, die im Rahmen der Depression oft reduziert sind (Konzentration, Gedächtnis, Handlungsplanung, Offenheit für neue Umweltstimuli). Insbesondere findet die Verarbeitung von positiven Emotionen in der linken Hirnhälfte statt. Es kommt hier zu einer Normalisierung des regionalen Erregbarkeits- oder Aktivitätsniveaus durch Induktion neuroplastischer Veränderungen.
Literatur
Die Anzahl wissenschaftlicher Artikel in renommierten Zeitschriften hat enorm zugenommen. Dies ist eine Zusammenstellung wichtiger Arbeiten:
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